Die Sippen - Teil I

Die Sippe der Heiler

Die Sippe der Heiler ist eine der ältesten Sippen in Korossos. Ihre Aufgaben liegen in der Heilung von Kranken, herstellen und ergründen von Medizinen sowie die Ausbildung von jungen Heilern.
Bei der Bekämpfung von Krankheiten nutzen die Heiler die Kräfte der Natur, aber sie bedienen sich auch der Kräfte aus der Geisterwelt.
Ein Teil der Sippe widmete sich mehr und mehr der Geisterheilung. Die anderen Sippenmitglieder konzentrierten sich auf die Vervollkommnung der Kenntnisse über die Heilungsmöglichkeiten der Natur. Die Gruppe um Charoon zog sich zur Meditation und Zwiesprache mit den Geistern immer mehr zurück, so daß es schließlich zu einer Trennung der Sippe kam. Kirashandra gründete mit den überwiegend an der Natur orientierten Heilern die Sippe der Sammler. Über die restlichen Mitglieder der Sippe der Heiler ist heute wenig bekannt. Sie leben in selbstgewählter Isolation, die von den anderen Sippen respektiert wird.
Dies bedeutet nicht, daß sie sich nicht um andere Menschen kümmern. Es geschehen im Zusammenhang mit Kranken wundersame Dinge die der Sippe der Heiler zugeschrieben werden. Es wird folgende Begebenheit erzählt, die ein Junge beobachtet hat.
Seine vor kurzem geborene Schwester erkrankte so schwer an einem Fieber, daß niemand ihr helfen konnte. Der Schamane und der Heiler riefen die Geister an, jedoch nichts geschah.
In der Nacht fiel das ganze Dorf in einen unruhigen Schlaf, der sogar die Mutter der Kinder übermannte. Nur zu dem kleinen Jungen kam der Schlaf nicht. Plötzlich sah er eine Öffnung in der Wand und eine leuchtende Hand die hindurchgriff. Die Hand legte sich auf den Kopf des Säuglings und man hörte einige gemurmelte Worte. Währenddessen wechselte die Farbe der Hand von einem Gelb zu Rot. Dann zog die Hand sich zurück und das Zelt wurde wieder geschlossen.
Am nächsten Morgen stellten die überglücklichen Eltern fest, daß ihr Kind gesund war. Sie fanden neben dem Baby eine kleine Schnecke in Einhornform. Seitdem heißt das Kind Sanudia, das heißt, die von den Geistern geheilte.

 

Wie einer ein berühmter Heiler wurde

Der blutdürstige Stamm der Steinriesen war beinahe ausgerottet, und nur noch wenige davon trieben sich im Wald von Ish herum, wo sie häufig die allein umherstreifenden Jäger überfielen und skalpierten.

Einer der Jäger, den auch so ein mörderischer Dämon beinahe an den Haaren erwischt hatte, suchte sich schnell durch die Flucht zu retten, aber sein Verfolger ließ auf einmal solch gliederlähmendes Kriegsgeschrei ertönen, daß der arme Jäger kaum noch ein Bein vor das andere setzen konnte. Nun suchte er sein Heil darin, daß er auf einen Baum kletterte, ohne daß es der Riese merkte.

Als dieser nun sah, daß die Spur seines Wildes auf einmal aufhörte, zog er ein magisches Instrument aus der Tasche, das die geheime Kraft besaß, den Ort anzugeben, wo sich die flüchtigen Menschen oder Tiere aufhielten. Es zeigte auch wirklich auf den Baum, aber der Jäger, der etwas lange Arme hatte, war leise an einem herabhängenden Ast hinabgeklettert und entriß nun seinem langem Verfolger das Instrument ohne viel Mühe.

Jetzt wurde aber der Riese ungeheuer kleinlaut, fing an zu weinen wie ein Kind und bat den Jäger, ihm doch um der Götter Willlen sein Instrument wiederzugeben, er wolle ihm in seinem Leben nichts mehr zu leide tun und ihm auch die Heilkräuter für jede Krankheit zeigen. Der Jäger ging auf den Handel ein, ließ sich über die Eigenschaften der verschiedenen Heilkräuter genau unterrichten, erstattete dann das magische Instrument zurück und ging wohlgemut nach Hause.

Dort heilte er nun die gefährlichsten Krankheiten. Hatten einem die bösen Wesen des Waldes, die zu jener Zeit noch eine bedeutetende Rolle spielten, Würmer, Haare oder Steine in den Körper geblasen oder diese auf eine andere Art hinein praktiziert, so holte er es ohne viele Umstände wieder heraus und rettete so manchen vor dem sicheren Tod.

 

Die Sippe der Schamanen

Sie ist wohl die älteste Sippe der Korossianer. Ihre Spuren lassen sich bis zu der Zeit vor der großen Finsternis zurückverfolgen, als noch die Ishiti das Land bevölkerten. Ihren wahren Ursprung kennt keiner, da sie aber größer und kräftiger sind als das "kleine Volk", ist anzunehmen, daß sie mit den Ishiti nur sehr entfernt verwandt sind.


Die Lebensweise

Wie eh und je leben die Schamanen in der Verborgenheit der Wälder. Ihr Lebensrhythmus entspricht einem Wechsel zwischen Wanderschaft und dem Eremitendasein. Einen großen Teil ihres Lebens verbringen die Schamanen im Anschluß an eine Gruppe von Korossianern. Sie leben mit ihnen und werden von ihnen versorgt. Ihre Aufgaben gliedern sich hierbei mannigfaltig. Sie sind die Bewahrer und Deuter der "sieben Kekinowin". Unter Zuhilfenahme dieser Zauberzeichen und der ihnen innewohnenden Macht vollbringen sie Taten, zu denen sonst kein anderer Korossianer fähig ist. Trotz dieser psychischen Fähigkeiten wäre es falsch sie Zauberer oder Magiere zu nennen, da sie nur Mittler einer noch größeren Macht sind, nämlich der des Vaters des Regenbogens.

Während ihrer Tätigkeit bei den Stämmen und Familien erschöpft sich ihre Kraft. Sobald sich die Gelegenheit ergibt, und ein anderer Schamane die Verantwortung übernimmt, zieht sich der alte Schamane mit seinen Schülern in seine Einsiedelei zurück. Nach einigen Monden der Ruhe wird er sich wieder auf Wanderschaft begeben und seinerseits einen Schamanen ablösen.


Der Baum - die Religion

Die Wegbereiter jeglichen Lebens auf dem Lande waren die Pflanzen. Hierbei ist die größte und mächtigste der Baum, der über unser Volk wacht. Er ist Mittler zwischen dem Vater des Regenbogens und den Menschen.

Im Traum sieht der Schamane "seinen Baum", mit dem er in geistiger Symbiose leben wird. Er gibt ihm die Kraft für seine magischen Rituale und Zeremonien. Über ihm steht der Schamane mit dem Vater des Regenbogens in Verbindung. Kein Schamane gibt je preis, mit welchem Baum er die Symbiose eingegangen ist, jedoch trägt er irgendwo an seinem Körper ein Stück vom ihm. Eben in Nähe dieses Baumes begibt sich der Schamane, wenn er seine Kräfte regenerieren muß.


Der Werdegang eines Schamanen

Ein Schamane sucht sich seine Schüler selbst, denn nur er kann beurteilen, ob ein junger Mensch zu dieser Aufgabe berufen ist. Vor der eigentlichen Ausbildung leben die Probanten gemeinsam mit dem Schamanen.

Ihre Aufgaben sind lediglich die des täglichen Lebens, wie Nahrung beschaffen und deren Zubereitung. Erst wenn er wirklich sicher ist, daß einer seiner Schüler zum Schamanendasein berufen ist, beginnt die eigentliche Unterweisung. Über Pflanzen- und Heilkunde lernt der Schüler die Herstellung von einfachen Tränken und Mixturen. Er lernt die Geschichte des Volkes ebenso wie dessen Lieder und Erzählungen. Mit der Zeit versteht er die sieben Kekinowin und beginnt langsam die Zauberzeichen zu deuten. Zur Anwendung fehlt ihm allerdings noch die Macht.

Seine Ausbildung endet mit der Unterweisung in den bewustseinserweiternden Stoffen, deren Gewinnung und vor allem deren Handhabung. Nach einer mehrjährigen Schülerschaft ist sein Geist und Körper gefestigt und die erlernbare Ausbildung ist beendet.

Irgendwann in dieser Zeit wird dem angehenden Schamanen vom Vater des Regenbogens ein Traum gesandt, indem er seinen Baum erkennt. Nach diesem Erlebnis begibt sich der Schüler auf die Suche nach dem Standort seines Baumes. Dort vollzieht sich dann der Akt des eigentlichen Schamanenwerdens, die Seele des Menschen und des Baumes werden eins. Nun besitzt der junge Schamane die Macht sein Wissen anzuwenden.

 

Die Sippe der Jäger

Sie ist eine der größten in Korossos. Als Nomaden durchstreifen sie die Wälder von Korossos. Dabei bevorzugen sie den nördlichen Teil des Landes. Die Sippe besteht, wie schon der Name sagt, hauptsächlich aus Jägern. Aber auch Heiler, Schamanen und deren Schüler gehören zu dieser Gemeinschaft. Zumeist schließen sich auf den Wanderungen noch einige Waldläufer an, um im Tauschhandel einige der überzähligen Felle und Häute zu erstehen. Die Seten (Sammler auf Wanderschaft) schließen sich gerne den Jägern an, da sie so am Schutz, den eine große Gemeinschaft bietet, teilhaben.

Gerüchten nach soll es innerhalb der Sippe der Jäger den Geheimbund des "Cult of Beliol" geben. Hierbei handelt es sich wohl um eine nicht näher definierte Kultur in den Labyrinthen unter den Pyramiden bei Torndad.


Religion

Die eine große Gottheit ist der Vater des Regenbogens. Träume und Visionen spielen im irdischen Leben der Jäger/innen eine große Rolle. Sie bilden auch den Inhalt vieler Mythen und nehmen in Kultobjekten (Gesichtsmasken, Tänze, Zeremonien) sichtbar Gestalt an. Der Traum ist Voraussetzung zur Erlangung eines persönlichen Schutzgeistes, der seinem Träger bei der Meisterung des Lebens, Bei Krankheit und vielen anderen Dingen behilflich ist. Das persönliche Kekinowin (Zauberzeichen) ziert oft die Waffen, Kleidung und andere Gegenstände des Trägers. Nach jeder erfolgreichen Jagd wird die Seele des erlegten Tieres um Verzeihung gebeten und dem persönlichen Schutzgeist gedankt, indem ihnen etwas Tabak geopfert wird.


Lagerplatz und Wohngebiete

Mit möglichst wenig Gepäck ziehen die Familien auf der Suche nach neuen Jagdgebieten durch die Wälder von Ish. Das wenige Gut und die Behausung wird in dieser Zeit der Wanderschaft von kleinen, zottigen Pferden getragen oder gezogen. Wird eine neue Lagerstätte gefunden (zumeist eine Lichtung), so wird in gemeinsamer Arbeit das Lager errichtet. Im Zentrum wird ein Kreis von 30 Schritt Durchmesser abgesteckt, in dessen Mittelpunkt der Stammespfahl aufgestellt wird. Dieser Pfahl trägt die Zeichen der Familien, die in diesem Lager wohnen. Die Unterkünfte sind kegelförmige Bauten aus zwanzig bis dreißig Stangen, die eine Länge zwischen zehn und fünfzehn Schritt aufweisen. Sind die Stangen aufgestellt, so werden sie mit einer halbkreisförmigen Lederplane überzogen. Der Eingang weist immer zum Zentrum des Lagers. Im Inneren ist genügend Raum zum Schlafen, Essen und bei schlechtem Wetter zum Arbeiten. Eine Feuerstelle in der Mitte ermöglicht auch das Kochen.

Laubhütten oder ein einfacher Windfang können als Schlafunterkunft dienen, wenn bei kurzen Streifzügen die großen Zelte nicht mitgenommen werden.

Eine weitere Form des Wohnens bieten festerrichtete Langhäuser aus Baumstämmen, die bis zu hundert Personen aufnehmen können, jedoch nur während der Regenzeit benutzt werden.

Man findet Häuser vereinzelt in den Wäldern. Junge, Alte und Kranke, die nicht mit auf Wanderschaft gehen, leben das ganze Jahr hindurch in diesen festen Häusern, die auch als Lager für Lebensmittelvorräte, Leder und Felle dienen. In jedem Raum eines Langhauses wohnt eine Familie mit eigener Feuerstelle. Besonders wichtig ist die Schwitzhütte, sie darf bei keinem Lager fehlen und wird aus kurzen Stangen, Leder und Laub gebaut. Sie dient zur Reinigung von Körper und Geist.


Dorf- und Kultgemeinschaft

Die Struktur der einzelnen Familien wird im wesentlichen vom Bakungu bestimmt, der die Zahl der Amtsträger bestimmt und genau festgelegt. Alle Männer und Frauen ordnen sich diesem System unter. Je nach ihren Erfolgen, Interessen und Geschicklichkeit im Kampf oder in kultischen Wettspielen können sie sich für eine bestimmte Aufgabe innerhalb der Sippe entscheiden. Sie durchlaufen eine Zeit der Prüfung und können im Laufe der Jahre bis zur höchsten Stufe eines Bakungu (Edler) gelangen und selbst eine Sippe gründen. Letzteres obliegt jedoch dem Kabaka.

Im Regelfall beträgt die Anzahl der Sippe zwischen zweihundert bis zweihundertfünfzig Personen. Ein wichtiges und eines der wenigen persönlichen Besitztümer des Einzelnen ist die reichverzierte, langstielige Pfeife, die in einer Gürteltasche nebst Tabak seinen Platz einnimmt.


Bekleidung

Diese besteht in der Regel aus Tierhäuten (Reh- oder Hirschleder) für Hosen/Röcke, Hemden und Schuhwerk. Bei kälterer Witterung benutzt man kniehohe Stiefel und Fellmäntel. Die Felle werden mit dem Tierhirn gegerbt und durch Räuchern wird eine gewisse Geschmeidigkeit erzielt.

Im Kriegsfall oder für Wettkampfspiel kleiden sich die Krieger/innen mit einem dicken Lederwams, das mit fingerdicken Holzstäbchen oder Röhrenknochen, eng aneinandergenäht, verstärkt wurde, um Schutz vor Schlägen oder Pfeilwunden zu bieten.

Häufig anzutreffen sind seit einiger Zeit auch Bekleidungsteile aus Webarbeiten, die eingetauscht werden.


Waffen

Die Hauptwaffen sind neben Pfeil und Bogen noch der Spieß oder die Lanze. Zum Ausweiden der Beute findet ein schmaler Dolch Verwendung. Spitzen und Klingen sind größtenteils aus Stein oder Tierknochen und werden mit erhitztem Harz am Griffstück befestigt und zur besseren Haltbarkeit mit Sehnen umwickelt. Durch Tausch mit den Händlern in den Städten gelangt man auch zu Waffen aus Metall, das immer häufiger seine Verwendung findet und aufgrund der Härte die mühselige Anfertigung nach altem Brauch in den Hintergrund drängt. Ein nützliches Werkzeug ist die Machete, die das Vorankommen durch dichtes Unterholz sehr vereinfacht.

Als Kriegswaffen verwendet man unter anderen Wurfaxt und Bola. Die Bola besteht aus einem eineinhalb Schritt langen Seil, an dessen Enden zwei Steinkugeln befestigt sind. Bei einem geglückten Wurf schlingt sie sich um die Beine des Opfers.

Seltener anzutreffen ist die Kugelkopfkeule mit einem Holz- oder Steinkopf, die jedoch in Wettspielen Verwendung findet.


Handwerk

Zumeist Bogen und Pfeilherstellung und andere Gebrauchsgerät wie Tragsäcke, Matten, Seile und Körbe. Gefäße aus Ton, Holz oder Kürbissen. Die Be- und Verarbeitung von Fellen und Leder.

Auch künstlerische Schnitzereien wie Stammespfahl und Gesichtsmasken. Die meisten dieser Dinge gelten neben den Fellen und dem Leder als wichtige Tauschmittel für die Händler.

Gleichgültig, von welcher Tierart der Korossianer aber nun sein Leder gewinnt, das er bearbeiten möchte, es muß weich und geschmeidig sein. Dazu wird das Leder gegerbt. Die Arten zu gerben sind nicht einheitlich, ebensowenig die Mittel, die man dazu verwendet. Bei der Sippe der Jäger ist die gebräuchlichste Art folgende:

Zuerst werden die Häute, welche bearbeitet werden sollen, eine Nacht eingeweicht, am anderen Morgen dann aus dem Wasser genommen, auf ein glattes Stück Holz gelegt und der Grain oder Narben abgestoßen, wie das bei jeder anderen Art von Gerberei auch geschieht. Ist das geschehen, so wird das Gehirn des Tieres (sind es mehrere Teile, so ist für jedes ein Gehirn nötig) in einen eisernen Topf und in etwa soviel Wasser getan, als nötig ist, dieselbigen gehörig darin durchzuarbeiten. Das Gehirn nun, das man vorher in einen kleinen, aus grober Leinwand gemachten und stark genähten Sack gefüllt hat, kocht etwa eine Stunde lang in dem Wasser und wird dann mit den Händen durch das Linnen gerieben und gewaschen, daß es sich dem Wasser, welches dadurch eine milchige Farbe annimmt, mischt, und nur die faserigen Teile im Sack zurückbleiben.

In diesem Wasser werden nun die Felle gehörig geknetet und durchgearbeitet, bis das Gehirn überall in sie eingedrungen ist, dann herausgenommen, so gut wie möglich ausgewrungen und zum Trocknen aufgehangen. Jetzt geht aber die harte Arbeit erst richtig an, denn sie dürfen nicht ganz an der Luft trocknen, sondern müssen vom Gerber/in auf einem eigens dazu geschärften Brett oder über einen geflochtenen Rohhautriemen so lange gerieben und gezogen werden, bis sie ganz trocken, schneeweiß und so weich wie Sammet werden.

Nun sind sie freilich gegerbt, dürften aber doch, im Falle sie naß werden, auch sicher wieder steinhart werden; um das zu vermeiden und alles Leimartige in ihnen zu vernichten, räuchert man sie.

Zu diesem Zweck werden immer zwei und zwei aneinandergenäht, daß sie, nach den Köpfen zu, einen Sack bilden und nur noch unten offen sind; dann wird ein Loch in die Erde gegraben, und in demselben ein Feuer angezündet, welches man, sobald es in Glut kommt, mit faulem Holz abdeckt, so daß ein dicker Qualm emporsteigt. Über diesen Rauch nun werden die Felle gehangen, bis derselbe sie so durchdringt, daß sich die Außenseite zu bräunen anfängt, dann wird der Sack umgedreht und auf der anderen Seite der Prozeß wiederholt, und nun erst sind sie gegerbt, und weder Wasser noch Sonne kann ihnen je wieder etwas anhaben. Sie bekommen aber dadurch eine braungelbliche Farbe.

Sommersonnenwende

Der Zeitpunkt, an dem das Licht den größten Sieg über die Finstnis davonträgt. Zugleich ein wichtiger Abschnitt in meinem bisherigen Leben! Ich, Jaheira, bin nun in dem Alter von 16 Sommer; Zeit also, meine Jugendjahre in Erinnerung zu bewahren und mich auf Größeres vorzubereiten. Auf die Prüfungen, die mir das Recht geben zu werden, mich Jäger zu nennen und Anerkennung als Krieger zu finden.

Zwei Tage der Prüfungen lagen bereits hinter mir und in den acht anderen Knaben die, wie ich erwartungsvoll dem heutigen Tag entgegensahen. Ist uns der Vater des Regenbogens auch heute noch wohlgesonnen? Oder müssen einige von uns ein weiteres Jahr warten und sich nochmals in allen geforderten Aufgaben üben wie Chakama, der am zweiten Tag bei der Geduldsprobe scheiterte?

Nur mit einem schmalen, aus Hirschleder bestehenden Lendenschurz bekleidet, führte uns der Schamane zum Ritualplatz. Es war eine große Lichtung im Wald, die in kreisförmiger Anordnung mit Lanzen gesäumt war. An diesen hingen die Kampf- und Zeremonienschilde der verschiedenen Familien, die heute den Sieg der Sonne und unseren Erfolg feiern würden. Der Schamane ging auf die massive Hütte zu, die im Schatten eines sehr ausladenden, alten Thuja, im Mittelpunkt der Lichtung, stand. Es gibt viele solcher Ritualplätze in den Wäldern von Korossos, da die Familien ständig durch die Wälder ziehen und nur während der Regenzeit etwas länger an einem Ort verweilen.

Als Dritter mühte ich mich durch die enge Öffnung der Hütte, deren einziger großer Innenraum von rußenden Fackeln schwach erhellt wurde. Es gab nur diesen Zugang, nicht einmal eine Luke im Dach, um den Rauch abziehen zu lassen, war vorhanden. An der gegenüberliegenden Längsseite der Hütte streckte sich ein schmaler Absatz entlang, auf dem wir angewiesen wurden, mit gekreuzten Beinen Platz zu nehmen. Nachdem ich saß, konnte ich mich in Ruhe umsehen. An den anderen Wänden gewahr ich die "Alten" am Boden sitzen. Diese waren einst verdiente Krieger der Sippe, deren Taten in den Gesängen weiterleben werden. Ansonsten befand sich nur noch eine Feuerstelle in der Mitte des Bodens, eine flache Kuhle, die nur mit Glut angefüllt war.

Der Schamane begann nun leise die Handtrommel zu schlagen und stimmte einen Singsang zu diesem monotonen Rhythmus an. Er bewegte sich mit kleinen tänzelnden Schritten um die Glut und warf gelegentlich, nach einem Griff in dem an seiner Seite hängenden Tragebeutel, eine Handvoll getrockneter Yageblätter hinein. Dichter, süßlich riechender Rauch erfüllte den Raum und mit tiefen Zügen atmeten wir ein.

Ich starrte gebannt auf die Glut, die mir wie ein großes leuchtendes Auge entgegenblickte und fühlte, wie das Gewicht meines Körpers einer Schwerelosigkeit wich. Der Schlag der Trommel und der Gesang entfernten sich immer mehr. Ich schritt durch die Dunkelheit und nahm den Geruch feuchter, modernder Erde wahr. Blaues Licht tauchte vor mir auf und daraus schälte sich das Antlitz von Wagonata, meinem verstorbenen Großvater, heraus. Immer mehr Gestalten nahm ich wahr, wobei ich wußte, das diese ihr Leben ruhmvoll beendet hatten. Ihre Münder bewegten sich, doch konnte ich keinen Laut vernehmen. Weiter ging meine Wanderung durch das Reich der Toten, mit jedem Schritt dichten Nebel aufwallend. Ich glaubte aufwärts zu steigen und die dichten Schleier ließen mich vorwärts tasten. Von Irgendwo her vernahm ich ein immer rascher schlagendes Trommeln und einen beschwörenden Gesang, dessen Geschwindigkeit mich in ihren Bann schlug und mich vorwärts hasten ließ. Je schneller diese Töne wurden, um so eiliger lief ich die Stufen empor, bis schlagartig der Nebel zurückwich und ich tief unter mir, verschwindend klein, die Wälder meiner Heimat sah. Ich stand im Nichts und die Angst griff wie eine kalte Faust nach meinem Herz. Angesichts dieser Hilflosigkeit schrie ich auf und schlug mit den Armen um mich. Der Schrei brach als Ruf eines Adlers und kräftige Schwingen trugen mich durch die Lüfte. Der Wunsch, weiter nach oben zu steigen wurde übermächtig und mit kraftvollen Schlägen durchteilte ich die Wolken, tauchte ein in ein Meer aus Farben und Düften. Wohlige Schauer des Glücks und der Zufriedenheit durchströmten meinen Körper, während ich die Augen schloß und mich diesem Gefühl hingab. Ich spürte die Berührung des Vaters des Regenbogens.

Mit dem Wissen, den Stand eines Jägers erreicht zu haben, öffnete ich die Augen und sah, wie mir der Schamane das Symbol der Jägersippe über den Kopf streifte. Nun war ich Jaheira, der Jäger.

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